DIE KONSULATSMATRIKEL
Die größte Hürde, die Nachfahren von deutschen Auswanderern, die ihre Heimat vor 1904 verlassen haben, bei der Feststellung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit überwinden müssen, ist der Beweis, dass sich ihre Vorfahren in die Konsulatsmatrikel der deutschen diplomatischen Vertretung in ihrem neuen Heimatsland haben eintragen lassen.
Als Deutschland 1871 endlich ein vereintes Land wurde, wurde auch ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz eingeführt. Dieses verpflichtete alle deutschen Auswanderer, die ihre Staatsangehörigkeit behalten wollten, sich bei Aufenthalt im Ausland von mehr als 10 Jahren in die jeweilige Konsulatsmatrikel eintragen zu lassen.
Deutsche, die vor 1871 ausgewandert und damit noch Staatsangehörige der einzelnen Königreiche und Reichsstädte waren, die später zu Deutschland wurden, wurden nun automatisch Staatsangehörige des neuen Reichs. Sie verloren jedoch ihre deutsche Staatsangehörigkeit, sobald sie sich nicht wie vom Staatsangehörigkeitsgesetz vorgeschrieben in die Konsulatsmatrikel eintragen ließen.
1904 wurde hierfür ein zentrales Jahr, da 1913 ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz erlassen wurde, das die Eintragung in die Konsulatsmatrikel abschaffte. Ein Deutscher, der 1904 ausgewandert war, hätte sich nach der 10-Jahres-Regelung 1914 in die Konsulatsmatrikel eintragen lassen müssen. Durch das 1913 erlassene Gesetz war er aber nun davon befreit.
Möchte man herausfinden, ob man ein Recht auf deutsche Staatsangehörigkeit hat, so besteht einer der ersten Schritte in der Suche nach dem eigenen Vorfahren in der Konsulatsmatrikel, sollte sich dieser vor 1904 im Ausland niedergelassen haben.
Die Konsulatsmatrikeln werden im Bundesarchiv in Berlin sowie in einigen deutschen Konsulaten im Ausland aufbewahrt. Aufgrund der großen Nachfrage in Brasilien kann man einige der brasilianischen Matrikeln nun online einsehen. Wir wissen jedoch nicht, ob das auch in anderen Ländern der Fall ist, also melden Sie sich gerne bei uns, wenn Sie mehr Informationen haben. So können wir diese Seite immer aktuell halten.
Tatsächlich haben allerdings nur wenige das Glück, ihre Vorfahren in den Konsulatsmatrikeln zu finden. Obwohl einige Auswanderer sich mit Sicherheit bewusst dazu entschieden haben, ihre deutsche Staatsangehörigkeit aufzugeben, gibt es noch viele weitere Grunde dafür, warum keine Eintragung in den Konsulatsmatrikeln zu finden ist.
Da diese Gruppe von Nachfahren deutscher Staatsangehöriger in Brasilien gegründet wurde, werden wir hier einige Beispiele aus unserer Region nennen. Wenn Sie allerdings weitere Beispiele oder Materialien aus Ihrem Land haben, würden wir uns freuen, diese auch hier aufzunehmen.
Einer der zentralen Gründe war Unkenntnis über das neue Gesetz. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es zur damaligen Zeit keine Massenkommunikationsmittel gab. Noch dazu waren die meisten Auswanderer in Brasilien arm und konnten weder lesen noch schreiben. Es wäre unfair, von ihnen zu erwarten, dass sie von der Konsulatsmatrikel und den damit verbundenen Vorschriften wussten.
Ein weiteres Problem bestand darin, dass die Verwaltung und Erhaltung der Konsulatsmatrikeln vonseiten der deutschen Behörden vernachlässigt wurde.
So werden beispielsweise einige Konsulatsmatrikeln nicht in deutschen Archiven aufbewahrt, sondern an verschiedenen anderen Orten, zum Beispiel im Archiv des brasilianischen Staates Rio Grande do Sul.
Außerdem findet man in deutschen Archiven keinerlei Konsulatsmatrikeln einiger sehr aktiver deutscher Konsulate in Brasilien. Ein Beispiel dafür ist eine Urkunde des Konsulats in Petropolis in Rio de Janeiro aus dem Jahre 1872, das sich im Besitz der Familie des Auswanderers befindet. Das zeigt, dass wichtige Unterlagen der deutschen Regierung verloren gegangen sind.
Darüber hinaus gab es auch keine Standardisierung bei der Verwaltung der Konsulatsmatrikeln. Eine deutsche Regionalzeitung mit dem Namen Germania veröffentliche 1882 eine Werbung des deutschen Konsulats in Santos. Es forderte Deutsche dazu auf, das Konsulat zur Eintragung in die Konsulatsmatrikel aufzusuchen und erklärte, dass eine solche Eintragung entweder schriftlich oder „mündlich“ erfolgen könne.
„Deutsches Konsulat in Santos. Der vor Kurzem an Stelle des verstorbenen Hrn. J. W. Schmidt ernannte Kaiserl. Konsul, Hr. A. Winter, ersucht alle im diesseitigen Konsularbezirke wohnenden deutschen Staatsangehörigen, welche in die Matrikel dieses Konsulats eingetragen sind, ihre Schutzscheine vorzuzeigen, bez. an dieses Konsulat einzusenden. – Ferner werden Diejenigen, welche die Eintragung in die Matrikel bereits nachgesucht haben, benachrichtigt, ihr Gesuch bei diesem Konsulate zu erneuern. – Anmeldungen behufs Immatrikulierung werden an jedem Wochentage in den Stunden von 12-1 Uhr entgegengenommen und können mündlich oder schriftlich erfolgen.”
Es wird also deutlich, dass die deutsche Regierung 1913 die Ungerechtigkeit der Konsulatsmatrikel bemerkte. Aus diesem Grund wurde die Regelung einerseits abgeschafft, andererseits wurden aber auch Möglichkeiten zum Wiedererwerb der Staatsangehörigkeit für alle ehemaligen Deutschen geschaffen, die durch die Eintragung in die Konsulatsmatrikel benachteiligt worden waren.